Aus der Geschichte der Bundesmusikkapelle Steinach
Die Anfänge
Die Musikkapelle Steinach ist eine Kapelle mit langer und man darf sagen, großer Tradition. Wenn auch historische Quellen von einer schon vorher in Steinach bestandenen Musik mit Bläsern zeugen, gilt doch der Erasmustag (Kirchenpatron) 1827 als Gründungstag der Musikkapelle Steinach bzw. der „Musikbande des Landgerichts Steinach“. Erster Kapellmeister war Franz Fux (Fuchs). Gegründet also im Todesjahr Beethovens spiegelt die Chronik der Musikkapelle das profunde Selbstbewusstsein der Mitglieder schon im 19. Jahrhundert wider.
Die erste goldene Ära
Das musikalische Niveau muss auch außergewöhnlich gewesen sein, berichtet die Chronik doch, dass die Musikkapelle u.a. die damals zeitgenössischen Opernouvertüren von Rossini oder Verdi spielte. Besonders aus der Zeit der 35-jährigen Kapellmeisterära (1850 – 1885) von Valentin Hell gibt es ungezählte lobende Presseberichte teilweise über Tirol hinaus und die Kapelle galt wohl neben der Stadtkapelle Innsbruck als eine von Tirols besten. Und es führte bereits 1880 (!) eine Konzertreise nach Wien und Graz!
Apropos Selbstverständnis: Den heutigen Leser zum Schmunzeln bringt etwa die Anekdote, dass um 1870 in der Kapelle hitzige Diskussionen entflammten, weil ein Bauer und Musikant zwei gerade zugezogene sehr musikalische Knechte zur Probe mitbrachte. Die Bemerkung des Kapellmeisters Hell, ob bei den Steinachern jetzt „auch schon Arbeiter mitspielen müssen“, wurde sehr geteilt aufgenommen: Das Lichtmeßkonzert tags darauf musste abgesagt werden, weil 12 Musikanten aus Protest fehlten.
Gewitter ziehen auf … und wieder weiter
Der Blick in die Chronik zeigt auch, dass hie und da wesentlich turbulentere Zeiten und Ereignisse zu überstehen waren als nur ein ausgefallenes Konzert. Diese Turbulenzen kamen manchmal von außen – Stichwort Kriege – aber durchaus auch immer wieder von innen. Recht ungeschminkt wird über die kurzzeitige Auflösung zur Jahrhundertwende um 1900 berichtet, ausgelöst von internen Streitereien, Eifersüchteleien und was es halt so alles an allzu Menschlichem gibt. Insgesamt über 8 Jahre zogen sich offenbar die immer wieder aufflammenden Konflikte hin, ehe ab 1905 endlich anhaltende Ruhe einkehrte. Man verstand dann in guten Tagen aber auch wieder gut zu feiern. Lies dir dazu etwa den Pressebericht aus 1927 über die Jahrhundertfeier der Gründung durch – beeindruckend!
Eine prägende Familie und eine zweite goldene Ära
Wie in anderen Gemeinden war es in Steinach ebenso, dass eine Familie über Jahrzehnte das Geschehen im Verein prägte. Im Falle von Steinach war dies die Familie Wessiack. Bis ins 19. Jahrhundert reicht die Ära von Franz Wessiack (Vater) zurück, der viele Jahrzehnte (1897 – 1938) der Kapelle als Kapellmeister vorstand, nachdem einige Jahre zuvor schon ein Onkel von „Vater Wessiack“ kurz Kapellmeister gewesen war. Aus seiner Hand sind auch wertvolle Kompositionen überliefert. Eine Vielzahl von Presseberichten und die Chronik der Kapelle berichten von der landesweiten Wertschätzung, die sich die Kapelle unter Franz Wessiack erspielte. Einladungen nach München (1904) und nach Wien und Graz im Jahre 1912 und wiederum nach Wien in 1933 zeugen u.a. davon. Eine köstliche Anekdote dazu aus 1912: Die Abfahrt von Wien nach Graz verzögerte sich infolge eines in der Unterkunft vergessenen Euphoniums, doch machte die Kapelle trotz der verspäteten Ankunft in Graz offensichtlich musikalisch eine so gute Figur, dass der anwesende Direktor der Oper Graz kurzerhand die gesamte Kapelle in die Oper zu einer Vorstellung von Kienzls Evangelimann einlud!
Nicht minder bedeutsam für die Musikkapelle als Wessiack Vater wurde schließlich in den folgenden Jahrzehnten sein Sohn Franz Wessiack. Dieser bekleidete ebenfalls mehrere Jahrzehnte (1938 – 1969) das Amt des Kapellmeisters. Gleich zu Beginn gab es diverse Scharmützel mit den neuen Machthabern, was aber immerhin nicht verhinderte, dass im Sommer 1938 beim Marschmusikwettbewerb der Tiroler Trachtenkapellen in Innsbruck die Steinacher vor den Wiltenern den ersten Preis errangen. Schließlich wurde die Musikkapelle infolge des Krieges und der vielen einrückenden Musikanten auf Sparflamme gesetzt. Franz Wessiack Sohns großes Verdienst war dann der Wiederaufbau der Kapelle ab 1945 quasi aus dem Nichts. Als nun politisch Unbelasteter wurde er offenbar an allen Ecken und Enden gebraucht, wurde nicht nur als 4-facher Meister (Bürgermeister, Bäckermeister, Kapellmeister und Chormeister) legendär, sondern bekleidete auch im Bezirk über Jahrzehnte höchste Ämter bis hin zur Bezirksehrenkapellmeisterwürde. Die Gründung des Bezirksverbandes und das Bezirksmusikfest, so wie wir es heute kennen, ist zum Gutteil auch Franz Wessiack zu verdanken. Er führte die Kapelle bald wieder auf alte Höhen und legte den Dirigentenstab 1969 zurück. Eine Anekdote sei auch hier gestattet: Als es Franz Wessiack einmal doch alles zu viel war und er recht über seine Belastung jammerte, meinte ihn jemand mit: „Aber du tuaschs jo gearn ….“ zu trösten. Darauf Wessiack eher entrüstet: „Jo soll is ungern a no tian….!“
Aus einer anderen Welt
Auf ganz andere Art prägend für die Kapelle im letzten Jahrhundert war die rund 10-jährige Kapellmeisterära von Prof. Anton Erich Kratz (1969-1979). Aus Galizien gebürtig, in Hall in Tirol aufgewachsen, war er viele Jahre als Professor an der Universität von Pretoria, als Konzertpianist und Dirigent in Südafrika tätig. In dieser Zeit war er auch Orgelschüler und Freund des Friedensnobelpreisträgers Albert Schweitzer in Lambarene. Als sein Leben infolge seines Engagements für die schwarze Bevölkerungsmehrheit bedroht war, flüchtete er vor dem Apartheid-Regime in seine alte Heimat und siedelte sich im Wipptal an. Man kann also durchaus sagen, dass Prof. Kratz musikalisch aus einer völlig anderen Welt kam. Hört man die Tonaufnahmen der MK Steinach unter Kratz aus den Siebzigerjahren, so erahnt man, wie prägend er mit seinem Charisma für die Kapelle war und auf welche musikalische Höhen er die Kapelle führte. Grandios stehen manche seiner Blasmusikkompositionen, die er für die MK Steinach und für die ebenfalls mehrere Jahre von ihm geleitete Bundesbahnmusikkapelle Innsbruck geschaffen hat, wie ein erratischer Block da. Mehr zu Prof. Kratz siehe in der TT vom 3.7.15.
Auch eine strahlende Ära
Prof. Kratz Erbe führte durch 25 Jahre (1979 – 2004) Hans Eller fort. Musikalisch hochgebildet und Perfektionist bis ins kleinste Detail führte er die Kapelle zu überregionaler Wertschätzung, was sich etwa in Form von Einladungen zur Teilnahme an Landesverbandsversammlungen in Tirol und in Salzburg als Vorführkapelle oder in Tirol als Uraufführungskapelle einer für den Landesverband geschaffenen Messe von Prof. Kurt Estermann manifestierte. Was sicherlich beispiellos ist: Unter Hans Ellers Dirigat nahm die Kapelle an mehr als 25 Landes- und Bezirkswertungsspielen teil und erreichte mit einer einzigen knappen Ausnahme immer einen ausgezeichneten Erfolg! Hans Eller war auch mehrere Jahre Bezirkskapellmeister und Landeskapellmeisterstellvertreter.
Die Achtziger- und Neunzigerjahre führten die Musikkapelle mehrfach ins Ausland, etwa in die Niederlande (1980) oder an verschiedene Ziele in Deutschland, insbesondere mehrmals in die Partnerstadt Neresheim und 1992 in unsere Bundeshauptstadt Wien. Zu Christi Himmelfahrt 1993 wurde ein von der Kapelle gestaltetes Kirchenkonzert vom ORF live übertragen. Zum 175-Jahrjubiläum 2002 wurde die erste CD der Musikkapelle aufgenommen, nachdem es in den 70ern unter Prof. Kratz schon ORF-Rundfunkaufnahmen gegeben hatte.
Wolken am Himmel
Jedoch hatte auch der nächste Jahrhundertwechsel keine guten Sterne für die Musikkapelle parat: Wie schon rund 100 Jahre zuvor führten Zwist und Streit wiederum zu einem großen Aderlass. Einmal mehr obsiegte manch Allzumenschliches über das Menschliche! Durch den kollektiven Austritt eines Teiles der Musikanten dauerte der Konflikt innerhalb der Kapelle diesmal zwar nicht 8 Jahre, wie ein Jahrhundert zuvor. Dennoch war bis dato (2020!) noch immer keine Aussöhnung möglich. Dies ist besonders deshalb schade, weil auf diese Weise sehr verdienten Musikanten die an und für sich gebührende Ehrung und Würdigung vorenthalten bleibt und umso trauriger, weil nichts Fundamentales, sondern eher nur Ignoranz und gekränkte Eitelkeit bzw. Ehre in diese Sackgasse führten. Aber wer weiß: Nach dem Motto, die Hoffnung stirbt zuletzt, kann bei praktizierenden Christenmenschen ja immer darauf gehofft werden, dass im Text der Bergpredigt zum Thema Versöhnung noch einmal genauer nachgelesen wird.
Phönix aus der Asche
Letztlich stieg in weiterer Folge dann aber schnell der sprichwörtliche Phönix aus der Asche und nach dem Generationenwechsel nicht nur in der Führung, sondern in der ganzen Kapelle stand die MK Steinach durch 8 Jahre (2004-2012) unter der Leitung von Kpm. Michael Hörtnagl aus Matrei am Brenner. Sein großes Verdienst war es, die nach dem erwähnten Generationenwechsel zwischenzeitig auf deutlich unter 40 Musikanten „abgemagerte“ Kapelle durch seinen Führungs- und Programmstil für die Jugend attraktiver gemacht zu haben, sodass die Kapelle bald wieder über einen konstanten Stand von über 50 Musizierenden verfügte. Wie schnell sich das ändern kann, erlebte die Kapelle in den Jahren nach der von allen Seiten hoch gelobten Durchführung des Bezirksmusikfestes 2011, als ein neuerlicher großer Aderlass, diesmal junger Musikantinnen und Musikanten zu beklagen war.
Nachdem Michael Hörtnagl sein Kapellmeisteramt in aller Würde und Freundschaft zurücklegte, übernahmen die beiden Kapellmeister Daniela Bischofer und Gerald Kröll Anfang 2013 interimsmäßig die Musikkapelle mit gerade einmal gut 35 Musizierenden. Dennoch glückte es den beiden mit großem Einsatz und Fingerspitzengefühl für das Mögliche und Notwendige die Kapelle durch ein musikalisch gelungenes Jahr zu führen. Zwar gab es in jenem Jahr kein Frühjahrskonzert, dafür aber in der Form des Volksmusikabends im Herbst die erste große Veranstaltung für Ensembles und kleine Gruppen der Kapelle. Aus der Not wurde eine Tugend und die Veranstaltung seitdem im 2-Jahresrhythmus mit sehr großem Zuspruch von Musizierenden wie Publikum wiederholt. So kann regelmäßig eine schöne Ernte dafür eingebracht werden, dass unter den Kapellmeistern Hörtnagl und Wetzinger das solistische und das Ensemblespiel sehr gefördert wurden und dabei auch Eigeninitiative der Musikanten zugelassen und geschätzt wird.
Aufbruch zu alter Stärke und neuen Ufern
Für die Lenkung der weiteren musikalischen Geschicke der MK Steinach gelang schließlich nach längerer Suche Ende 2013 ein besonderer Coup: es wurde mit Kpm. Dir. Josef Wetzinger aus Telfes im Stubai ein gleich erfahrener wie engagierter und landesweit anerkannter Fachmann gewonnen. Sepp Wetzinger machte sich über Jahrzehnte einen prominenten Namen in der klassischen Kirchenmusikszene und in der Blasmusik, sodass wir zum zweiten Male unter der Leitung eines Landeskapellmeisterstellvertreters standen. Ihm gelang es in kurzer Zeit den Musikanten neue Motivation ebenso wie die volle Bereitschaft für akribisches und diszipliniertes Proben zu entlocken. Alsbald konnte hier der verdiente Lohn für die fleißige und seriöse Arbeit in Form von schönen Erfolgen bei Bezirks- und Landeswertungsspielen geerntet werden.
Höchst ehrenvoll war die Einladung des Landes Tirol an die Musikkapelle unseren Herrn Landeshauptmann Platter anlässlich der Expo in Mailand 2015 zur Eröffnung des Euregio-Pavillons zu begleiten. Ein wahres Jahrhunderterlebnis schließlich war im Sommer 2017 für die teilnehmenden Musikanten die Reise über den großen Teich in die USA. Siehe dazu den Kurzbericht unter Presseberichte und die Foto-Sondergalerie: Menschliche, emotionale und musikalische Erlebnisse, die die Musikanten ein Leben lang im Kopf und im Herzen tragen werden. Und im Herbst 2017 folgte sogleich ein weiterer Höhepunkt: beim großen Festgottesdienst im Dom zu Innsbruck zum 70-Jahrjubiläum des Blasmusikverbandes Tirol gestaltete die MK Steinach zusammen mit namhaften Sängersolisten, 2 Chören und der MK Prutz die Festmesse von Josef Pembaur im eigens für diesen Anlass geschaffenen Arrangement von Kpm. Josef Wetzinger (siehe unter Presseberichte). Alles das war zu verdanken dem über Jahrzehnte aufgebauten und gepflegten musikalischen Networking – wie man heute neudeutsch sagt – unseres Kapellmeisters Josef Wetzinger und dessen Ansehen in der Musikszene bis in die Vereinigten Staaten!
Viele musikalische Highlights in den jüngsten Jahren bescherten auch die seit 2014 im 2-Jahresrhythmus alternierend mit den Ensembleabenden stattfindenden Kirchenkonzerte in der Pfarrkirche Steinach. Weiters eine Aufführung der Messe für Kantor, Chor und Blasorchester von Kpm. Wetzinger in Stift Stams anlässlich des Österreichischen Kapellmeistertages 2016 und als Höhepunkt in diesem Reigen die Aufführung der Pembaur-Messe im Arrangement unseres Kapellmeisters in Stift Mondsee, wohin uns neben jungen hoffnungsvollen Sänger-Solisten die Chorwerkstatt Telfs im Herbst 2018 begleitete.
Ein Virus verändert alles
Eine ganz große Herausforderung – wohl die größte in dieser Art seit dem 2. Weltkrieg – wurde für die Musikkapelle schließlich die Corona-Pandemie ab dem März 2020. Über Nacht, mitten in den Vorbereitungen für das Frühjahrskonzert, kam die Verordnung von mehreren Monaten Spiel- und Versammlungsverbot. Zuerst machten wir noch gute Miene und verlegten das FJK in das Internet. Dann der hoffnungsvolle Zwischenwiederbeginn im Juni 2020 mit all den Sicherheitsmaßnahmen. Mitten in den Vorbereitungen für das herbstliche Kirchenkonzert kamen in weiterer Folge laufend neue und restriktivere Einschränkungen, die nach und nach auch alle flexibel angepassten Konzepte für Auftritte zunichtemachten. Im Oktober schließlich kam es zu einen völligen Lock-down des Musizierens von mehr als einem halben Jahr. Das entnervte einige MusikantInnen, sodass diese den nächsten Wiederbeginn im Juni 2021 nicht mehr mitmachten und letztlich war es mit ein Hauptgrund dafür, dass nach den Rücktritten von Obmann und Kapellmeister eine neue Führung gesucht werden musste.
Unter den verbliebenen MusikantInnen waren aber auch viele, deren Freude an und deren Hingabe zur Musik und zur Musikapelle ungebrochen oder gar noch größer geworden waren. So fand sich mit Jakob Grissemann ein neuer Kapellmeister aus unseren Reihen, der sich weder von den großen Fußspuren seines Vorgängers noch vom Zerstörungswerk der Pandemie abschrecken ließ und uns mutig und hoffnungsvoll in die Zukunft führt. Dies gemeinsam mit unserem neuen jungen Obmann Stefan Halder.
Ganz erfreulich: Der Zuspruch aus der Bevölkerung war in den letzten Jahren äußerst ermutigend und so bleibt zu hoffen, dass es auch künftig gelingt, stets Menschen zu finden, die Talent, Fleiß und Zeit in die Musikkapelle investieren und dafür als Lohn wunderbare musikalische aber auch kameradschaftliche Erlebnisse ernten.
Hier noch ein paar bildliche Eindrücke, passend zu den Berichten: